Studio Alexander Fehre

 

 
 
 
 
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wohnen - stuttgart 2021

Villa L

 

Das Stuttgarter Studio Alexander Fehre hat für eine alte Villa ein neues Innenleben gestaltet. Mit der Planung und Ausführung haben die Innenarchitekten eine überzeugende emotionale Antwort auf die Wünsche der Bauherren gefunden.


Wenn es das Herz nicht berührt, ist es nicht gut genug
— Alexander Fehre
 

Wie sorgt man dafür, dass Mauern nicht mehr spürbar sind? Man gestaltet die Etage so um, dass sie zu einem fließenden Raum wird. So geschehen bei der Villa L. in Stuttgart, einem Gebäude aus der Zeit um die Wende zum 20. Jahrhundert, dessen Erdgeschoss sich in den Wohnwunschtraum seiner neuen Bewohner verwandeln sollte. Möglichst keine Wände mehr, so lautete also die Anforderung an das Stuttgarter Studio Alexander Fehre. Klar, clean und geradeaus sollte die Anmutung sein – und, weil die Auftraggeber aus dem medizinischen Bereich kamen, durchgehend weiß. „Natürlich gehen wir sehr stark auf die Wünsche unserer Auftraggeber ein“, sagt Alexander Fehre. „Aber beim Einsatz der Farbe Weiß in Verbindung mit einer minimalistischen Ästhetik mussten wir auch schauen, dass die Wohnlichkeit nicht auf der Strecke bleibt.“ Die Bauherren verstehen und gleichzeitig das Konzept zusammenhalten – in diesem Spannungsfeld bewege sich der Innenarchitekt. „Zum einen müssen wir natürlich immer Kompromisse finden, zum anderen erwarten viele Bauherren aber auch eine gewisse Kompromisslosigkeit bei ihrem Innenarchitekten.“

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Ein Beispiel für diese führende Hand findet sich beim Projekt Villa L. in jenem architektonischen Element, das das Zentrum des Erdgeschosses der Villa bestimmt: ein L-förmiger, raumbildender Stauraum, der dank geschmeidiger Rundungen den Fluss des Raums übernimmt und daher nicht trennend wirkt. Die Wandstücke und Stützen werden durch den raumhohen Ausbau komplett unsichtbar und die ursprüngliche Verzimmerung des Erdgeschosses wird komplett aufgelöst. In der Planung wurde eine Lamellenstruktur für die Fronten vorgeschlagen. Dieser Struktur standen die Auftraggeber sehr skeptisch gegenüber, und doch folgten sie schließlich der Vorstellung ihres Innenarchitekten. „Sobald sie es in der Realität gesehen hatten, hatten sie sich in das Muster verliebt“, erinnert sich Alexander Fehre. Eine gewisse Kompromisslosigkeit also, die sich auszahlte, schließlich ist der Gestalter zuständig für die Langzeitvision. „Unsicherheit während des Planungsprozesses ist ganz typisch, daher braucht der Architekt einen Vertrauensvorschuss.“ Mit dem Gesamtwerk muss er eine emotionale Antwort auf die Wünsche der Bauherren finden.

„Wohnen“, sagt Alexander Fehre, „ist ein sehr privates Thema und für jeden etwas anderes.“ Im Fall der Villa L. sollte es zum Beispiel – neben der Abwesenheit von Innenwänden und Türen – auch kein klassisches Wohnzimmer geben, kein Sofa, keine Stehleuchten, kein TV-Gerät. Ein Haus zum Leben sollte es werden, kinderfreundlich und wohnlich, weshalb die Innenarchitekten sich auf eine leisere Gestaltung konzentrierten. Die Wände weiß, das skandinavisch hell geölte Eichenholz der Lamellenwand und passende Beige- und Brauntöne, dazu Farbakzente in Sitznischen in den Fenstern und im L-förmigen Wandelement, in denen man mit den Kindern ein Buch lesen kann. Ein von mehreren Seiten einsehbarer Kamin und Stauräume, die hinter glatten Fronten unsichtbar werden, komplettieren das Ambiente. Die Fenster wurden vergrößert, die Terrasse umgebaut, der Estrich entfernt und eine Fußbodenheizung eingebaut. So konnte auf den Gesamteindruck störende Wandheizkörper verzichtet werden, was die Behaglichkeit dieser Heizungsart auch optisch unterstützt. „Man muss ein Raumgefühl erzeugen,“ umschreibt es Alexander Fehre und betont, dass es aus diesem Grund nicht nur reiche, Elemente einzubauen. „Mit dieser Gestaltung wollten wir auch zeigen, was Innenarchitektur leisten kann. Dass sie eben deutlich mehr ist als Interior Design, als die Einrichtung mit Möbeln und ein wenig Farbe.“

Nicht nur, dass für die Raumgestaltung eine Reihe von Statikeingriffen nötig wurden, auch alle Einbauten sind Sonderanfertigungen. Allen voran das L-förmige Zentralelement, dessen Lamellen von einem Südtiroler Schreiner alle einzeln in die geschlitzten Fronten eingeklebt wurden. Auf der Küchenseite sorgen sie dafür, dass die Fugenteilung verschwindet. Ein gläserner Durchblick in Richtung Haustür, dessen Glasböden praktisch unsichtbar verklebt sind, ist ebenso spektakuläres Gestaltungselement wie Lichtdurchlass für die Küche. Dort zeigt sich die Lamellenwand – nur unterbrochen durch Ofen, Mikrowelle und eine angenehm grün kontrastierende Nische mit Spüle und Kaffeemaschine – als hyperaufgeräumte, grifflos gestaltete Fläche. Ein Steinblock mit ebensolchen Fronten gibt in der Küchenmitte einen ebenso wuchtigen wie geradlinigen Arbeitsblock und Familienesstisch. Denn auch das war ein Wunsch der Bauherren: die Küche als Zentrum des Erdgeschosses, als Treffpunkt der Familie. Ein Mittelpunkt, der durch seine Offenheit aber auch den Bezug nach Draußen nicht verliert. Die Lösung der Innenarchitekten kam bei den Bauherren gut an, deckte sie doch zwei nicht immer ganz leicht in Einklang zu bringende Wünsche ab: Wohlfühlen und Ästhetik. „Es ist schwer zu entscheiden“, sagen sie, „ob man es einen Ort zum Leben oder einen der puren Schönheit nennen soll.“

Neben einem abgeteilten Bereich für Büroarbeiten im Anschluss zur Küche fällt besonders auch die Kinderlounge innerhalb des Arrangements auf – auch das ein expliziter Wunsch der Bauherren, die sich, wie bereits erwähnt, kein klassisches sondern ein „Kinder-Wohnzimmer“ für das alltägliche Leben vorgestellt hatten. An einem Ende des Raums gelegen, nimmt also das als Abgrenzung eingesetzte Regal den Stufenrhythmus der Treppe in die oberen Stockwerke auf. Der Kinderbereich selbst wird bestimmt von einer Rutsche, einer Sitznische im Fenster und einem stufigen Aufbau, der möglichst viele kreative Spiel-Räume eröffnet. Mit Entfernung der Rutsche und wenigen weiteren Handgriffen wächst der Bereich mit den Kindern mit und passt sich den wechselnden Bedürfnissen jedes Alters an.

Für die Bauherren hat sich tatsächlich der Wohntraum erfüllt. „Wir fühlen uns angekommen“, berichten sie. „Es sieht atemberaubend aus, ist wohnlich und funktionell eingerichtet.“ Für das Team um Alexander Fehre eine Bestätigung seiner Arbeit – und das glückliche Ende eines langen und nicht immer ganz einfachen Weges. Denn gerade Bauherren, die wie in diesem Fall zuvor noch nie mit Innenarchitekten zu tun gehabt hätten, müsste die Scheu genommen werden. „Das erreicht man nur durch beständige Aufklärung und die Fähigkeit, Kompromisse einzugehen, und zwar auf beiden Seiten“, sagt Alexander Fehre und führt als Beispiel für den sensiblen Balanceakt zwischen dem Bestreben, die Wünsche der Bauherren umzusetzen, und kreative Lösungen vorzuschlagen, die Lamellenwand in der Küche an: „Die Familie konnte sich die Wirkung nicht vorstellen und war sehr skeptisch. Am Ende aber waren sie begeistert.“ Deshalb sei eine gute Bauherren-Architekten-Beziehung so wichtig, betont Alexander Fehre, schließlich hätte das auch schiefgehen können. Das Vertrauen aber sei durch die beständige Zusammenarbeit gewachsen. Zumal Alexander Fehre einen Kompass besitzt, der ihn noch nie im Stich gelassen hat: „Wenn es nicht das Herz berührt, ist es nicht gut genug.“

durchblick

Das kunstvoll gefertigte Glasregal im Kontrastfarbton gestattet den Durchblick vom Eingangsbereich zur Küche

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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minimalistisch & warm

Holz und Stein werden vom Weiß der Wände umhüllt, das Petrol der Regale und Nischen ist der einzige Farbkontrast

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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It’s hard to decide between calling it a “living space“ or a “place of worship”
— Bauherrin
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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kinderwohnzimmer

Die Kinder erhielten einen eigenen Bereich als großzügige Lounge. Die Rutsche kann später wieder entfernt und der Bereich als Bibliothek genutzt werden.

Das Studio Alexander Fehre ging auf alle unsere Wünsche ein, hat sich kritisch mit den Anliegen auseinandergesetzt und dann ein beeindruckend gutes Ergebnis geliefert.
— Bauherr



Typus

Wohnen

team

Sebastian Zaune, Paula Gonzalez, Hannah Jehle, Alexander Fehre

ORT/JAHR

Stuttgart 2021

GRÖSSE

120 m²

KUNDE

Privat

fotografie

Philip Kottlorz